Mir ist nun das Thema Trauer und Hochzeit mehrfach in Begleitungen/Coachings begegnet. Was machen wir, wenn wir trauern, aber Freunde/Familie heiraten? Wie können wir an einem freudigen Fest teilhaben, wenn uns eigentlich gar nicht nach Feiern zumute ist?
In diesem Zusammenhang ist mir aufgefallen, dass meine Mutter bspw. ihre Mutter beerdigt hat, am selben Tag, an dem ihr Schwager geheiratet hat. Sie war also morgens auf der Beerdigung meiner Oma und nachmittags auf der Hochzeit meines Onkels.
Ich habe meinen Vater das letzte Mal lebend gesehen, als ich auf dem Weg zur Hochzeit meiner besten Freundin war. Eine Woche danach ist er dann verstorben. Mir ist trotzdem nie aufgefallen wie nah selbst wir schon „Leid und Freud“ erlebt haben.
Wie kommen Trauer und Freude zusammen?
Oftmals denken wir, dass wir während der Trauer gar keine Freude empfinden dürfen. Wir glauben wir müssten immer traurig sein. Manchmal kommt uns alles freudige auch banal vor. Wie soll man halb betrunken bei einem Jungeselleninnenabschied durch die Stadt taumeln? Wozu das Ganze? Aber gleichzeitig möchten wir vielleicht doch mit der besten Freundin feiern oder zeigen, dass wir sie an diesem Tag unterstützen. Vielleicht sind wir sogar Trauzeug*in und haben wichtige Aufgaben zu erledigen.
Wie übersteht man in der Trauer eine Hochzeit?
Erstmal dürfen wir uns bewusst werden, dass Trauer und Freude nebeneinander existieren. Die Trauer um meine verstorbene Person und der freudige Hochzeitstag haben erstmal nichts miteinander zu tun. Da wo ich traurig bin, freuen sich die anderen über ihren großen Tag. Wichtig ist herauszufinden: Kann ich mir vorstellen dabei zu sein? Was bräuchte ich, damit es mir gut geht?
Eine meiner Kundinnen fand für sich heraus, dass sie den Junggesellinnenabschied absagen wird, dafür aber dann mehr Energie hat zur Hochzeit zu gehen. Stattdessen würde sie der Braut vorschlagen später im Jahr etwas gemeinsam zu unternehmen.
Bei einer anderen Kundin fiel der 1. Todestag eine geliebten Menschen zusammen mit dem Hochzeitstag eines befreundeten Pärchens. Hier haben wir Rituale überlegt, die sie am Tag vorher oder nachher für sich durchführen kann, um der verstorbenen Person zu gedenken.
Einen Gegenstand, der an die verstorbene Person erinnert
Ich schlage auch immer wieder vor einen Gegenstand dabei zu haben, der an die verstorbene Person erinnert. So kannst Du bspw. die Kette Deiner verstorbenen Mutter zur Hochzeit tragen oder einen kleinen Stein in Deiner Tasche halten, der Dich an die verstorbene Person erinnert. Sie ist dann dabei und die Trauer hat einen Platz. Es geht nicht darum die Trauer an diesem Tag komplett zu verdrängen.
Eine Verbündete, die Dir den Rücken freihält
Suche Dir eine/n Verbündete/n, der mit Dir zur Hochzeit geht oder auch da sein wird, den Du gut kennst, dem Du vertraust. Weihe ihn/sie ein. „Es kann sein, dass ich eine Auszeit brauche und mir mal die Beine vertrete“, „Mir geht es gerade nicht gut, kannst Du mir etwas zu Essen/Trinken holen/mich zum Zimmer begleiten“… Was es auch ist, hab jemanden in Deiner Nähe, dem Du Dich anvertrauen kannst und der weiß, dass Dir der Tag schwer fällt.
„Meine Mutter wird meine Hochzeit nicht mehr erleben“
Ich weiß noch wie ich damals auf der Hochzeit meiner besten Freundin saß. Ihr Vater hielt eine wunderschöne, ergreifende Rede. Auch, wenn ich mich nicht mehr viel an den Inhalt erinnern kann, das Einzige an das ich denken konnte war „Mein Vater wird keine Rede mehr halten“. Er war nach einem Schlaganfall gelähmt und konnte nicht mehr sprechen. Dieser Gedanke kam einfach. Ich habe nie über’s Heiraten nachgedacht oder es für mich in Betracht gezogen, aber in diesem Moment, in dem ich wusste, dass mein Vater wahrscheinlich nicht mehr gesund wird, war es ein Stich ins Herz.
Gleichzeitig wusste ich, es ist der große Tag meiner Freundin, und ich gönne ihr von Herzen, dass ihr Vater da ist und diese Rede halten kann. Mein Schmerz ist mein Schmerz, ihre Freude ist ihre Freude. Ich kann und darf beides fühlen.
„Versau‘ ihr nicht den Tag“
Eine meiner Kundinnen bekam tatsächlich zu hören, dass sie der Braut den Tag unnötig schwer macht, wenn sie ihr von ihrer Trauer erzählt. Immerhin ist der Verlust ja auch schon ein Jahr her, da müsse sie sich nicht mehr so „anstellen“.
Ich verstehe, was ihr Umfeld damit sagen möchte, gleichzeitig denke ich, wenn meine Hochzeit „versaut“ ist, weil meine trauernde Freundin nicht dabei sein kann, dann habe ich falsche Prioritäten. Natürlich wünsche ich mir, dass alle, die ich eingeladen habe auch dabei sind. Aber genauso wie ich an diesem Tag überglücklich sein darf, darf auch jemand anderes traurig sein.
Es ist sehr schade, dass meine Kundin Angst davor hat, über ihre Trauer offen zu sprechen, weil sie das Gefühl hatte, dass Trauer als Grund für eine Absage nicht akzeptiert wird. Erst recht nicht, wenn sie „schon“ ein Jahr alt ist. Es schraubt die Erwartungen hoch „funktionieren“ zu müssen, was vielleicht gerade gar nicht möglich ist.
Wie ist es denn umgekehrt?
Der beste Freund meines Vaters kam nicht zu seiner Beerdigung, weil er bereits seit Monaten eine lange Reise über genau diesen Zeitraum geplant hatte. Ich weiß, wie schwer ihm diese Entscheidung gefallen sein muss und dass er an diesem Tag an uns gedacht hat. Vielleicht war es so auch leichter für ihn. Ich weiß es nicht, aber ich respektiere was auch immer jemand für sich entscheidet.
Mein Cousin und seine Frau haben während ihrer Trauung eine kurze Schweigepause eingelegt, um an all die Familienmitglieder zu denken, die nicht mehr dabei sein konnten. Ja, es war traurig. Sie lasen sich gegenseitig kleine Liebeserklärungen vor und beschönigten darin nichts, sie erwähnten die Krise, die im Jahr zuvor dazu geführt hatte die bereits geplante Hochzeit abzusagen! Vermieste das den Tag? Nein, im Gegenteil. Es war die bisher authentischste Hochzeit auf der ich jemals war. Ehrlich und realistisch. Denn nichts ist immer nur 100% schön, spaßig und toll.
Ich wünsche uns allen mehr Mut, die schwierigen Dinge ins Leben zu lassen. Zu akzeptieren, dass Trauer genauso wie Freude, Enttäuschung genauso wie Liebe, Mut genauso wie Angst da sein dürfen. Am selben Tag, zur selben Zeit. Denn sie sind menschlich und ein Teil von uns.
Wie bist Du mit Deiner Trauer umgegangen, als Du zu Festen und Feiern eingeladen warst?
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