Lebenskrisen wie der Tod oder die schwere Krankheit eines Angehörigen oder eine Trennung passieren Gottseidank nicht sehr häufig. Doch wenn sie passieren, dann sind diese kritischen Ereignisse umso einschneidender. Der:die Betroffene ist nicht nur abgelenkt oder sieht sich auf einmal ganz neuen Herausforderungen gegenüber, sondern er schläft vielleicht schlecht und ernährt sich weniger und ungesünder, sodass seine körperliche und geistige Belastbarkeit stark sinkt. Der:die Mitarbeitende ist weniger leistungsfähig und im Allgemeinen in seiner:ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt. Natürlich haben alle Verständnis, doch wie wirken sich Lebenskrisen der Mitarbeitenden auf das Unternehmen aus?
Wie können Unternehmen Mitarbeitende in Krisen unterstützen?
Warum sollten sie das überhaupt tun?
Ca. 52% der Erwerbstätigen haben bereits eine Krise durchlebt. Über die Hälfte aller Betroffenen nahmen an sich selbst eine körperliche Beeinträchtigung wahr.
Knapp 80% klagten über psychische Probleme während oder nach einer Krise.
Jeweils 35% fühlten sich in dieser Zeit nicht zufrieden mit der Arbeit und/oder meldeten sich krank.
Führungskräfte spielen entscheidende Rolle
Bewerten Mitarbeitende die Beziehung zu ihre:m direkten Vorgesetzten als positiv, wird die Person als Ansprechpartner:in und Hilfeleistende:r in Anspruch genommen. Hinzu kommen Kolleg:innen als direkte Unterstützer:innen.
Maßnahmen die als sehr hilfreich empfunden wurden waren Arbeitszeitreduzierung (19%), Vermittlung von professioneller Hilfe (12%), Sonderurlaub (12%), interner Stellenwechsel (9%) oder betriebliche Gesundheitsangebote (8%), sowie Home Office (5%).
Verstärkt werden Krisen durch neue Arbeitsstrukturen. Menschen arbeiten mobiler und oftmas fernab von traditionellen Umgebungen wie Familie. Passiert etwas im familiären Umfeld muss der:die Mitarbeitende verreisen. Er erfährt nicht immer automatisch Unterstützung von Familienangehörigen, wenn ihm:ihr etwas passiert.
Man befindet sich nicht mehr zwangsläufig täglich im Büro oder Unternehmen. Die betrieblichen Angebote -wenn sie denn vorhanden sind- können nicht immer von allen Mitarbeitenden wahrgenommen werden (Außendienst, Home Office, etc).
Zudem werden Arbeitnehmer:innen in Deutschland immer älter.
Bis 2060 wird ein Anstieg der Erwerbstätigen zwischen 55-75 Jahre um 7% (auf 38%), ein Abfall der Erwerbstätigen zwischen 30-55 Jahre um 4% (auf 43%) prognostiziert.*
Je älter Erwerbstätige werden, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Krise erleben:
Ca 65% von 2000 Befragten zwischen 50-65 Jahren gaben an bereits lebenskritische Ereignisse durchgemacht zu haben (im Vergleich 37% der Beschäftigten unter 30 Jahre).
Größere Betriebe vorn, kleine und Kleinstunternehmen weit hinten
Extrem auffallend ist, dass selbst das Gespräch mit dem:der Vorgesetzen in kleinen oder Kleinstunternehmen nicht zum Tragen kommt, abgesehen von zur Verfügung stehenden Maßnahmen.
80% der Unternehmen in Deutschland sind Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitenden.
Ca. 18% der Beschäftigten in Deutschland arbeiten in diesen Betrieben.
18%, also ca. 11 Millionen Erwerbstätige, werden während einer Krise nicht ausreichend durch Vorgesetzte oder den Betrieb unterstützt.
Während sich größere Firmen professionelle Unterstützung leisten können oder oftmals sogar interne Mitarbeitende für diese Fälle haben, ist es für kleine Betriebe schwieriger in einem akuten Fall schnell und adäquat zu reagieren.
Was sind mögliche Lösungen?
Lokale Netzwerke
Kleine Betriebe könnten sich zu lokalen oder regionalen Netzwerken zusammenschließen um im Akutfall gemeinsam zu agieren. Externe Berater:innen oder Coaches können nach Bedarf zu Rate gezogen werden. Es entstehen keine laufenden Kosten, es gibt aber Adressen oder Kontakte die abrufbar sind und selbst Erfahrung haben oder aufbauen. Jeder Betrieb könnte eine:n Mitarbeitende:n zum:r Trauerbeauftragen ausbilden lassen (ähnlich eine:rm Ersthelfenden oder Brandschutzbeauftragten), der:die sich mit der Materie befasst und Kontaktperson im Netzwerk ist.
Interessant wäre die Frage wie ein Kleinunternehmen auf den Ausfall eine:rs Kolleg:in reagieren kann, sollte dieser aufgrund eines lebenskritischen Ereignisses längerfristig arbeitsunfähig sein. Bestünde die Möglichkeit aus dem Regio-Netzwerk „Springer:innen“ zu ziehen?
Schulung von Führungskräften und Prävention
Die direkte Führungskraft wurde von den Befragten mehrfach als hilfreiche Ansprechperson genannt. Sie hat entweder selbst geholfen oder vermittelte mögliche Angebote an den:die betroffenen Mitarbeitenden.
Sind jedoch Führungskräfte sensibilisiert um mit Krisen umzugehen? Was, wenn die Führungskraft selbst betroffen ist?
Was, wenn die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden nicht positiv ist und keine Vertrauensbasis herrscht?
Kurse und Schulungen für Führungskräfte oder 1:1 Coachings können Empathie und Einfühlung schulen. Auch der Umgang mit eigenen Krisen, also die Resilienz, kann gestärkt werden. Hier kann das lokale oder regionale Netzwerk zum Tragen kommen: Führungskräfte aus mehreren Firmen nehmen gemeinsam an Schulungen teil, die Kosten der Schulung können aufgeteilt werden.
Das Kennenlernen von externen, professionellen Angeboten vermittelt wiederrum der Führungskraft Sicherheit bei der Empfehlung für betroffene Mitarbeitende.
Externe Begleitung der Mitarbeitenden
Gerade in einem kleinen Betrieb in dem „jeder jeden kennt“ mag das Ansprechen von privaten Themen schwierig sein. Es wäre wichtig, dass kleine Firmen auch externe Berater oder Coaches kennen, die sie im Ernstfall vermitteln können und betroffenen Mitarbeitenden eine Kostenübernahme der Betreuung zumindest anteilig anbieten.
Über die verschiedenen regionalen Netzwerke könnten Mitarbeitende die beispielsweise aufgrund einesTodesfalls in der Familie verreisen müssen auch vor Ort betreut werden. Hier könnte ein lokales Firmennetzwerk eine:n Expert:in empfehlen oder gar selbst einspringen.
Fazit
Die Unterstützung von Mitarbeitenden in Krisen muss als wichtiges und ausbaufähiges Thema gesehen werden. Wenn Fachkräfte „Mangelware“ sind, ist Mitarbeiterbindung wichtig. Hier sollten Firmen aller Größen ihr Potenzial ausschöpfen und Mitarbeitenden jede mögliche Unterstützung bieten.
„Wenn dieser Test [Anm. d. Autorin: diese Krise] sowohl aus Sicht des Betriebes als auch des:r betroffenen Beschäftigten gut gemeistert wird, können beide Seiten mit einer gestärkten Beziehung aus dieser Krise hervorgehen.“
Helmut Schröder, Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO)
*www.demografie-portal.de Stand 3.2.2018
Alle anderen Daten aus AOK Fehlzeiten Report 2017
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