„Trauerbegleitung im Coaching“ ist ein Gastbeitrag für www.psylife.de, einem Magazin für Coaches, psychologische Berater und Psychotherapeuten.
Es betrifft uns alle, aber kaum jemand möchte sich aktiv mit diesem Thema auseinandersetzen: Dem Tod. Einher gehen Abschied, Verlust, Sterben, Trauer und Krise.
Unzählige Menschen beschäftigen sich erst Jahre nach dem Todesfall mit ihrer Trauer, entweder weil sie durch Depressionen, Burn-out o.ä. dazu „gezwungen“ werden oder weil einfach vorher „kein Raum“ dafür da war. Erst letztens sagte eine ältere Dame zu mir „Das Kind soll doch fröhlich sein!“ Das Kind hatte seine Mutter verloren, ihre Tochter. Ich bin der Meinung: Nein, das Kind darf traurig sein.
Gerade auch ältere Geschwister gehen oft in die Verantwortung für jüngere Geschwister oder sogar für den überlebenden Elternteil und erhalten nie die Möglichkeit selbst offen zu trauern. Trauerbegleitung kann hier auch im Coaching sinnvolle Arbeit leisten.
Sheryl Sandberg sagte „Es ist ok, dass es nicht ok ist“. Ich habe diesen Satz zu meinem Leitsatz gemacht, denn für die meisten Coachees in der Trauerbegleitung ist die größte Erleichterung hauptsächlich das Angenommen-werden. In der Gesellschaft gibt es so viele Ideen darüber, wann, wie lange, wo und wie getrauert werden darf oder soll. Lacht man zu früh nach einem Verlust, dann war der Verlust wohl doch nicht so schwerwiegend. Weint man nach drei Monaten immer noch, soll man sich doch mal zusammen reißen. Viele Trauernde finden nur schwer Menschen mit denen sie offen reden können ohne sich erklären oder Ratschläge anhören zu müssen.
Coaching und Begleitung geben hier enormen Halt. Die meisten Coachees schätzen den sicheren Raum, in dem sie einfach sein dürfen. Ohne dass es eine Lösung geben muss, ohne dass etwas verändert werden muss.
Es geht im „Trauercoaching“ nicht darum schnellstmöglich eine „Lösung gegen die Trauer“ zu finden, sondern einen Umgang mit ihr.
Wie kann die Trauer in das weitere Leben integriert werden? Welche positiven Erinnerungen an den Verstorbenen geben halt? Kann der Coachee Trauer als etwas anderes sehen, bspw. als Ausdruck seiner Liebe zum Verstorbenen?
Trauer kommt in Wellen
Trauer kommt in Wellen, d.h., dass es nach einer längeren stabilen Zeit auch schnell wieder tief hinunter gehen kann. Viele wissen dies nicht oder sind nicht darauf vorbereitet. Wichtig sind hier Hilfsmittel, die der Coachee eigenständig anwenden kann, bspw. das Schreiben eines Trauertagebuchs. Auch Briefe an den Verstorbenen geben eine Möglichkeit die Gedanken, die sich aufstauen loszuwerden.
Die Angst vor dem Vergessen
Viele Trauernde haben Angst, dass sie den Verstorbenen vergessen werden. Dass Erinnerungen langsam verblassen, dass irgendwann nichts mehr von der geliebten Person übrig sein wird. Auch wenn viele Menschen es als „nicht loslassen können“ bezeichnen, das Festhalten an Gegenständen, Kleidung, Lieblingskissen, o.ä. kann Halt geben. Es gibt mittlerweile kleine Unternehmen, die ein Cape, eine Decke, ein Kuscheltier aus der Kleidung des Verstorbenen nähen. Das mag in der Vorstellung für manche sonderbar bis komisch klingen, kann aber für Hinterbliebene sehr tröstlich sein. Auch eine Box, in der man Erinnerungen sammelt ist eine Möglichkeit. Alles ist an einem Ort, kann sicher aufbewahrt werden und hat seinen Platz im Haus.
Die eigene Betroffenheit
Vielleicht hast Du schon selbst einen geliebten Menschen verloren oder einen anderen schwerwiegenden Verlust erlebt. Ich werde oft gefragt, wie ich damit umgehe und vor allem das Thema „nicht an mich ran lasse“. Für mich ist es allerdings wichtig das Thema an mich ranzulassen. Auch im professionellen Setting. In der Ausbildung zum Trauer- und Sterbebegleiter nannte mein Ausbilder das „transparent“ sein. Für mich liegt in Tod und Trauer sehr viel Frieden. Ich fühle mich geerdet, wenn es um das Essentielle im Leben geht. „Nebengeräusche“ schalte ich aus.
Wenn ich mich mit der Endlich- und Vergänglichkeit beschäftige, dann ist der Fokus für mein Leben auf einmal sehr klar. Auch wenn ich an meine eigenen Verluste denke, was diese Menschen nicht mehr erledigen konnten im Leben und dass sie oftmals „viel zu früh“ gegangen sind. Doch was ist eigentlich zu früh?
Wir verlieren uns schnell in unseren Erwartungen, dass jeder ein hohes Alter erreicht, dass wir lange gesund sind, dass wir all das erreichen werden, das wir uns vorgenommen haben. Aber das trifft für viele Menschen nicht zu, wir glauben wir haben die Kontrolle über das Leben und sind erschüttert, wenn dem nicht so ist, wenn unsere Erwartungen nicht erfüllt werden.
Eine gute Übung, um mit der eigenen Betroffenheit umzugehen bzw. sich dem Thema selbst zu nähern ist seine eigenen Angelegenheiten zu regeln und damit anzuerkennen, dass wir eben nicht wissen, wann das Leben zuende sein wird. Und sich vorzustellen, was man tun würde, wenn man nur noch sechs, drei, einen Monat(e), zwei Wochen, eine Woche zu leben hat. Was wäre dann noch wichtig? Was würdest Du unbedingt noch tun, erleben wollen? Und das dann zu tun, auch wenn der letzte Tag tatsächlich noch nicht feststeht.
Arten von Trauer
Trauer ist sehr eng verknüpft mit der Todesursache. Ein ungeahnter Unfall kann eine andere Auswirkung haben, als ein langsames aus-dem-Leben-scheiden im Hospiz. Ein Sternenkind-Verlust hat andere Auswirkungen, als der Suizid eines nahen Verwandten oder engen Freundes. In den letzten beiden Fällen finden sich oft viele Schuldfragen. Hätte ich den Suizid voraussehen können? Hätte ich ihn verhindern können? Bin ich keine gute Mutter, wenn mein Körper kein Baby austragen kann? Habe ich etwas falsch gemacht was zum Verlust des Babys oder seiner Krankheit geführt hat?
Hinzu kommen gesellschaftliche Normen. Auch, wenn sich die Sichtweise auf das Versterben von ungeborenen Babys bereits verändert, gibt es noch viele Menschen, die die tiefe Trauer um ein Ungeborenes nicht nachvollziehen können. Zum Leidwesen vieler Eltern. Viele fühlen sich auch vom Krankenhaus schlecht psychologisch betreut.
Ich denke, dass wir hier als Coaches und psychologische Berater einen Mehrwert leisten können, indem wir schnell verfügbar sind. Das Coaching als Lösungsprozess rückt dabei viel mehr in den Hintergrund. Es geht darum zuzuhören, da zu sein und einen sicheren Raum zu schaffen.
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