Ich habe in den sozialen Medien gefragt: Welche Frage würdest Du Deiner Trauer gerne stellen?
Eine dieser Fragen ist: „Wann sehe ich die Trauer als Freund und nicht -wie aktuell- als Feind?“

Annehmen und akzeptieren

Debbie Ford sagte einmal im Rahmen ihrer Arbeit mit Schatten: „What we resist, persists.“ Frei übersetzt bedeutet es so viel wie, wir geben Energie in das, worauf wir uns konzentrieren.
Ein Beispiel: Wenn mich jemand nervt, dann denke ich mit großer Wahrscheinlichkeit darüber nach, wie sehr mich diese Person nervt. All die blöden Sachen, die diese Person macht, wie sie nicht merkt, dass sie nervt, wie sie spricht, sich kleidet, etc. Und wie leicht können wir uns in das Genervt-Sein reinsteigern. Ich glaube, jeder von uns hat das schonmal erlebt.

Was aber gleichzeitig passiert ist, dass wir unsere ganze Energie zu dieser Person fliessen lassen. Auch, wenn es „negative“ Energie ist. Und umso mehr Energie in etwas fliesst, umso mehr bestimmt dieses etwas unser Leben. Umso mehr wir uns darauf konzentrieren, umso mehr Macht bekommt es.

Wir können uns stattdessen fragen: Was genau nervt mich so und warum? Welches Verhalten löst in mir einen so großen Widerstand aus? Woher kenne ich das Verhalten? Auch an mir selbst.

Kann man Trauer annehmen?

Ganz abstrakt betrachtet ist Trauer ein Gefühl, dass „einfach so“ in uns entsteht. Wie Liebe, Ekel, Angst. Wir können das nicht steuern, wir können Gefühle höchstens verdrängen. Von daher ist Trauer etwas, das aus uns heraus entsteht. Sie ist damit automatisch ein Teil von uns. Umso mehr wir versuchen sie zu loszuwerden oder umso mehr wir sie als Feind sehen, umso mehr sehen wir einen Teil von uns selbst als Feind.

Vielleicht können wir versuchen die Trauer in verschiedenen Facetten anzuschauen. Trauer besteht aus Angst, Kummer, Liebe, vielleicht auch Schuld… Es kann vieles mehr sein, je nach dem, um welche Art des Verlusts es sich handelt.

Natürlich ist unser 1. Impuls „schlechtes“ abzuweisen und nicht an uns ranzulassen. Wir wollen glücklich sein, zufrieden, Zeit mit unseren Lieben verbringen. All das ist nach einem Verlust nicht mehr möglich. Eine geliebte Person fehlt. Statt Glück oder Zufriedenheit ist da Trauer, Schmerz, auch Angst, Unsicherheit. Es ist nur verständlich, dass wir das nicht wollen. Das Leben wird schwer dadurch, raubt uns Energie, macht uns unglücklich.

Wie kann man Angst, Schmerz, Wut annehmen? Wie kann man sie freiwillig ins Leben lassen?
Indem wir akzeptieren, dass sie genauso dazu gehört, wie Glück, Liebe, Freude…

Umso weniger wir uns gegen die Trauer stellen, umso mehr wir sie durch uns durchfliessen lassen, im Vertrauen, dass sie uns nicht verschlingt, sondern dass sie leichter werden kann, umso weniger Energie fliesst in das Verschliessen, das Abwenden, das Feindbild. Klar, den Feind ins eigene Haus lassen fühlt sich unsinnig an. Man macht sich verwundbar. Aber genau das ist der Punkt. Die Trauer wird uns verwunden, oder hat es meist schon von Anfang an. Die Sorge, dass der Schmerz größer wird, umso mehr ich mich der Trauer aussetze ist absolut logisch. Nur bin ich als Teil von mir selbst sozusagen schon „in meinem Haus“. Ich kann mir selbst nicht ein Feind sein (und doch ist es sehr oft so, dass wir gegen uns selbst kämpfen).

Die Trauer ist ein Teil von uns selbst

Wenn ich die Trauer als Ausdruck von Liebe sehen kann, sieht sie vielleicht nicht mehr so feindselig aus. Auch ist es nicht die Trauer, die für den Verlust eines geliebten Menschen verantwortlich ist. Die Trauer ist unser eigenes Gefühl, das den Schmerz trägt.

Wir können Schmerzen, Trauer, Leid nicht verschwinden lassen, genauso wenig wie wir uns „entlieben“ können. Natürlich verändern sich Gefühle, aber eben nicht auf Wunsch oder Knopfdruck. Wir können nur annehmen was da ist, auch, wenn es uns Angst macht und wir es nicht wollen.

Das ist wahrscheinlich die größte Lektion in der Trauer.

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